Hintergrundgespräch im Deutschen Bundestag: Antibiotika-Krise
Konsequenzen der Vorschläge der EU-Kommission zu neuen Marktmechanismen für die Entwicklung resistenzbrechender antimikrobieller Wirkstoffe für Deutschland und die EU
Berlin, 21.06.2023 – „Die Zeit drängt, denn die Entwicklung neuer Antibiotika braucht Zeit und die Resistenzentwicklung schreitet fort“, betonte Dr. Georg Kippels MdB beim Hintergrundgespräch zur Diskussion von verschiedenen neuen Marktmechanismen für die Entwicklung resistenzbrechender antimikrobieller Wirkstoffe für Deutschland und der EU. Dr. Franziska Kersten MdB unterstrich, dass sie als Tiermedizinerin mit vielen Ärzten in der Familie verstanden habe, dass das Thema neue Antibiotika wichtig sei. Es würden derzeit zwar sehr viele Aspekte zu Antibiotika diskutiert, es fehle eine ordnende Struktur und Initiativen von der Bundesregierung.
Prof. Dr. Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena wies auf die 1,3 – 1,4 Millionen Opfer, hervorgerufen durch Antibiotikaresistenzen hin. Resistenzen seien per se gegeben, das seien die Mechanismen der Evolution. Er begründete, warum die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Pharmaindustrie kooperieren müssen. Die Entwicklung von Medikamenten in der klinischen Forschung bewege sich im dreistelligen Millionenbereich.
Dr. Marc Gitzinger, Vorstand BEAM Alliance beschrieb die zurzeit diskutierten ökonomischen Anreizsysteme. Bald seien keine Operationen, wie z.B. Hüft-OPs, Kaiserschnitte, mehr möglich, da Antibiotika fehlen, die bei auftretenden Infektionen benötigt werden. Er erläuterte kurz die Pull-Mechanismen und wies auf die Praktikabilität der Umsetzung in der Europäischen Union hin, bei der 27 Länder koordiniert werden müssen. Gutscheinlösungen seien da am einfachsten. Dringlichkeit und beste Lösungen sollten die Diskussion bestimmen.
Nur in Partnerschaft mit Forschungseinrichtungen, Pharma-Unternehmen und der Bundesregierung können Lösungen gefunden werden, um künftig die Entwicklung neuer antimikrobieller Medikamente anzuregen. Die EU-Kommission hat jüngst dazu Vorschläge gemacht, die aus Sicht des DNAMR allerdings nicht ausreichend sind, um Wirksamkeit entfalten zu können. Neue, resistenzbrechende Antibiotika werden meist als Reserveantibiotika eingesetzt – das bedeutet, sie werden so selten wie möglich verschrieben. Dadurch ist die Entwicklung von Reserveantibiotika ein Verlustgeschäft, das sich die Unternehmen nicht leisten können. Daher haben sich viele aus der Antibiotika-Entwicklung zurückgezogen. Auch im wissenschaftlichen Bereich sind Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika weitgehend zum Erliegen gekommen.