Innovative Ansätze für neue Antibiotika brauchen politische Verbindlichkeit

+++ DNAMR-Expert:innen diskutieren bei Innovationskonferenz der Konrad Adenauer Stiftung

Berlin, 25. Juni 2025 – Das Deutsche Netzwerk gegen Antimikrobielle Resistenzen (DNAMR) und der Verband der Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) waren Kooperationspartner eines Panels auf der Innovationskonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Im Fokus der Diskussion unter dem Titel „Investitionen für morgen: Neue Antibiotika fördern, Krisen vermeiden“ stand die Frage, wie die Entwicklung neuer Antibiotika gezielt unterstützt werden kann und welche politischen Rahmenbedingungen nötig sind, um gesundheitliche Krisen durch multiresistente Erreger künftig zu vermeiden.

Lukas Lingenthal, Referent für Globale Gesundheit bei der KAS, eröffnete das Panel mit einem klaren Befund: Weltweit sterben jährlich hunderttausende Menschen an Infektionen, die nicht mehr behandelbar sind. Die Forschungspipeline für neue Wirkstoffe ist gefährlich ausgedünnt. Ohne gezielte politische Anreize wird sich daran wenig ändern.

Prof. Dr. Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena, schilderte eindrücklich die Herausforderungen im Klinikalltag. Besonders in Kriegs- und Krisengebieten – wie bei der Behandlung ukrainischer Soldaten – sei die Situation dramatisch: „Nahezu alle Wundinfektionen sind mit multiresistenten Keimen besiedelt. In solchen Fällen zählt jede Stunde.“ Er warnte vor strukturellen Hürden im deutschen Gesundheitssystem: Die Nutzung neuartiger teurer Reserveantibiotika werde nicht ausreichend vergütet, was für die Krankenhäuser eine große Belastung darstellt.

Ingrid Wanninger, Geschäftsführerin der HYpharm GmbH und Mitglied der BEAM Alliance, hob die Schlüsselrolle kleiner und mittlerer Unternehmen hervor: „Gerade die kleinen Firmen sind es, die mit innovativen Ansätzen neue Antibiotika entwickeln. Doch sie tragen enorme Risiken.“ Ein neues Medikament benötige etwa zehn Jahre Entwicklungszeit und verursache Kosten von über einer Milliarde Euro. Es mangele jedoch an wirtschaftlichen Anreizen für Antibiotika, für die der „normale“ Marktmechanismus nicht greift, weil die Verkaufsmengen viel zu gering seien. Notwendig seien deshalb verlässliche „Pull-Incentives“, Marktanreize, die den Marktzugang absichern – beispielsweise durch garantierte Einnahmemodelle oder Abnahmevereinbarungen, die eine Refinanzierung und Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglichen. Das gelte auch für die Entwicklung neuartiger Ansätze wie den Einsatz von Bakteriophagen oder Bakteriophagen-Proteinen, die gezielt Bakterien angreifen.

Sibyll Escher, Director Medical Affairs Infectious Disease & Immunology bei MSD, betonte, dass mit Reserveantibiotika kaum Einnahmen zu erzielen seien: „Diese Medikamente sollen nur im Notfall eingesetzt werden – das ist medizinisch richtig, wirtschaftlich jedoch eine Sackgasse.“ Sie verwies auf die aktuell laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene über ein gemeinsames Refinanzierungsmodell, das durch gerechte Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten Investitionen in die Entwicklung neuer Antibiotika und ihre Vermarktung absichern soll. Dabei seien Instrumente wie sogenannte „transferable exclusivity vouchers“ (TEVs) in der Diskussion, fänden bislang jedoch nur zögerliche Unterstützung. Seit über einem Jahrzehnt werde weltweit über geeignete Anreizmechanismen für die Entwicklung neuer Antibiotika diskutiert – bislang aber ohne entscheidenden Fortschritt.

Innovationen brauchen verlässliche politische Rahmenbedingungen

Das Panel machte deutlich: Die Entwicklung neuer Antibiotika ist weit mehr als eine medizinische Aufgabe – sie stellt auch strukturelle und wirtschaftliche Herausforderungen. Umso wichtiger sind innovative Lösungsansätze wie neue Finanzierungsmodelle – wie „Pull-Incentives“ und wirksame Vergütungsmechanismen, die gezielte Anreize für Forschung, Entwicklung und Marktzugang schaffen können. Doch Innovation allein genügt nicht: Entscheidend ist, dass die Politik klare und verlässliche Rahmenbedingungen in einer ausreichenden Größenordnung schafft, die langfristige Investitionen absichern. Die Stimmen aus dem DNAMR zeigten: Lösungen liegen auf dem Tisch – jetzt ist entschlossenes Handeln geboten. Hoffnung setzen die Expert:innen auf Impulse der neuen Bundesregierung und ein entschlossenes gemeinsames europäisches Vorgehen.

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